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Beitrag vom 27.01.2011
Gutachten zum ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung 2011 übergeben - Resonanz und Reaktionen
AVIVA-Redaktion
Die zentrale Bilanz lautet: Echte Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern herrscht in Deutschland noch lange nicht. Eine zuständige Sachverständigenkommission legte unter dem Titel...
... "Neue Wege – gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf" eine umfassende Bestandsaufnahme der Gleichstellung in Deutschland vor.
2005 war im damaligen Koalitionsvertrag aus CDU, CSU und SPD vereinbart worden, künftig in jeder Legislaturperiode einen Gleichstellungsbericht zu erstellen.
2008 beauftragte das Bundesfamilienministerium eine interdisziplinär zusammengesetzte Sachverständigenkommission, Gleichstellung in Deutschland zu analysieren, Zukunftsfelder für eine innovative Gleichstellungspolitik zu erschließen und Handlungsempfehlungen zu formulieren.
Zur Unterstützung der Sachverständigenkommission wurde Anfang Januar 2009 eine "Geschäftsstelle Gleichstellungsbericht" in der Zentrale der Fraunhofer-Gesellschaft eingerichtet. Sie fungiert als Verbindung zum Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und zu den verschiedenen Interessengruppen.
Den Vorsitz der Sachverständigenkommission hat Ute Klammer, Professorin für Politische Wissenschaften und Sozialpolitik und Prorektorin der Universität Duisburg-Essen. Das nun vorgelegte Gutachten der Kommission bildet die Grundlage für den ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, der im Frühjahr/Sommer 2011 verabschiedet werden soll.
Deutschland hat Nachholbedarf in Sachen Chancengleichheit
Die Analyse macht deutlich, welche Risiken durch Fehlanreize im Berufsleben insbesondere für Frauen bestehen. So führt die Subventionierung geringfügiger, nicht sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse für verheiratete Frauen im Falle einer Scheidung nicht selten zu eklatanten Mängeln bei den späteren beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten und in der sozialen Sicherung im Alter. "Die gegenwärtige Minijobstrategie muss aus Perspektive der Geschlechtergleichstellung als desaströs bezeichnet werden", so Prof. Klammer.
Verschiedene Organisationen wie der "Deutsche Frauenrat e.V.", der "Deutsche Juristinnenbund e.V." und die "Business and Professional Women (BPW) Germany" begrüßten das Erscheinen des Gutachtens als "hervorragende Handlungsgrundlage zur Weiterentwicklung der Gleichstellungspolitik für Frauen und Männer". "Die Bilanz ist kritisch, die Aufträge konkret" kommentierte Marlies Brouwers, Vorsitzende des Deutschen Frauenrates, das Gutachten. "Bereits die erste Durchsicht lässt erkennen, dass die Sachverständigenkommission und der Deutsche Frauenrat in wichtigen Fragen auf gleicher Linie liegen". Brouwers nennt hier zentrale Forderungen wie die Abschaffung der Minijobs und des Ehegattensplittings oder die Überarbeitung der Regelungen zur Bedarfsgemeinschaft.
"Ich freue mich, dass sich so viele Erkenntnisse und Empfehlungen des Gleichstellungsberichts mit denen des Deutschen Juristinnenbundes decken", sagte auch Jutta Wagner, Präsidentin des djb.
Die genannten Organisationen teilen darüber hinaus die Einschätzung der Kommission, "dass es der Gleichstellungspolitik der Bundesregierung an einer klaren Zielsetzung mangelt" (Brouwers). "Das Fazit des vorgestellten Gutachtens ist eindeutig: Für eine erfolgreiche Gleichstellungspolitik reichen die Ankündigungen des Koalitionsvertrags nicht aus", bilanziert Henrike von Platen, Präsidentin der BPW, in einer Pressemitteilung.
Die Kommission fordert für die verschiedenen analysierten Bereiche elementare Neuerungen und Umgestaltungen. So unter anderem
im Bereich Recht: eine Modernisierung der Rollenbilder und eine konsequente Ausrichtung des geltenden Rechtes am Leitbild der Gleichberechtigung (so unter anderem eine Ersetzung des Güterstands der Zugewinngemeinschaft durch das Modell der Errungenschaftsgemeinschaft), des weiteren Änderungen jener Teilbereiche des Sorgerechtes, des Sozial- und Einkommensteuerechtes sowie des Unterhaltsrechtes, die ein asymmetrisches Rollenmodell begünstigen.im Bereich Bildung: eine Verhinderung von Abwärtsspiralen sowie die Förderung von Wahlmöglichkeiten in allen Lebensphasen (unter anderem durch eine geschlechtsbewusste Pädagogik, die Entwicklung von Förderungsmodellen zum Ergreifen geschlechts-atypischer Berufe, eine Verbesserung der Sicherung der Vereinbarkeit von Aus- und Weiterbildung und Familie sowie Änderungen in den Berufsbildungssystemen und BAföG-Regelungen).im Bereich Erwerbsleben: die Beseitigung von Fehlanreizen und die Schaffung von Entgeltgleichheit und Aufstiegschancen, unter anderem durch die Herstellung von Voraussetzungen für gleiche Teilhabechancen von Frauen und Männern im Erwerbsleben (durch Abschaffung der Sonderstellung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse (Minijobs), das Umsetzen des Grundsatzes der Entgeltgleichheit und die Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen).im Bereich Zeitverwendung: die Ermöglichung von mehr Flexibilität und die Stärkung und Förderung unterschiedlicher Formen von Arbeit wie Hausarbeit, Sorgearbeit, freiwilliges Engagement und Nachbarschaftshilfe.im Bereich Alter: die Verbesserung der Honorierung von Pflegearbeit und Förderung von Maßnahmen eine armutsfesten Alterssicherung
Das vollständige Gutachten samt detaillierter Vorschläge zur Umsetzung obengenannter Ziele kann im Internet unter: www.gleichstellungsbericht.de abgerufen werden.
Weitere Informationenen und Kontakt:
www.fraunhofer.de, Geschäftsstelle Gleichstellungsbericht in der Fraunhofer-Gesellschaft
www.bmfsfj.de, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
"Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung. Vorstellung und Diskussion der Studie am 1. Dezember 2010"
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"This is for all of us - Women in International Security. AVIVA-Bericht von der Fachtagung am 5. Oktober 2010"
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"Im Juni 2010 fordert die Initiative Generation CEO 20 Prozent Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten"
"Zu wenig Vorbilder - Frauen in Führungspositionen 2010"
"Erster Berliner Gender Datenreport 2009 geht online"
"50-50 Kampagne der europäischen Frauenlobby"
(Quellen: AVIVA-Berlin, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Business and Professional Women (BPW) Germany, Deutscher Frauenrat e.V., Deutscher Juristinnenbund e.V., Geschäftsstelle Gleichstellungsbericht in der Fraunhofer-Gesellschaft)